Kabul 1915: Leutnant Günther Voigt, Oberleutnant Oskar von Niedermayer und Kapitänleutnant d. R. Kurt Wagner (von links nach rechts). Im Hintergrund Leutnant von Hentig, der diplomatische Führer der Expedition. Quelle: www.phototheca-afghanica.ch/Copyright: Stiftung Bibliotheca Afghanica

Abenteuerliche Expeditionen

Beitrag von Stephan Rudloff, Düsseldorf

Die deutschen Versuche, die islamische Welt gegen Großbritannien aufzubringen

Bereits vor Beginn des ersten Weltkrieges hatten die europäischen Kolonialmächte eifersüchtig über ihre Kolonien gewacht und versucht, potentielle Konkurrenten auszuschalten. Die britische Verwicklung in den Hereroaufstand 1904 in Deutsch-Südwestafrika ist wie der Versuch der Franzosen, in Marokko mit allen Mitteln den Einfluss der Familie Mannesmann zu unterbinden, ein gutes, aber kaum bekanntes Beispiel.
Der Kriegsausbruch im August 1914 war absehbar gewesen, über kurz oder lang wäre es zu einem Waffengang gekommen. So hatte man sich im Vorfeld bereits Gedanken gemacht, wie man den Gegner in seinen Kolonien treffen könnte.  

Baron Max von Oppenheim
Max von Oppenheim stammte aus der einflussreichen Kölner Bankiersfamilie und hatte nicht die Laufbahn eingeschlagen, die sein Vater gerne gesehen hätte. Stattdessen wollte er in den Dienst des Auswärtigen Amtes. Zunächst wurde er allerdings wegen seiner jüdischen Wurzeln abgelehnt. Die Familie war erst kurz vorher zum katholischen Glauben konvertiert. Schließlich schaffte er es dann doch, von 1896 – 1909 eine Anstellung an der deutschen Botschaft in Kairo zu bekommen. Er sprach perfekt Arabisch und war mit den Lebensgewohnheiten bestens vertraut. Oppenheim bewohnte in Kairo zehn Jahre einen Palast und hatte eine „Frau auf Zeit“, die er jedes Jahr austauschte. Das war eine Möglichkeit, die der Islam z. B. Reisenden bietet. In Diplomatenkreisen von Kairo war er als „the Kaiser‘s Spy“, also der Spion des Kaisers, bekannt, und tatsächlich interessierte sich Wilhelm der Zweite sehr für seine Berichte und Lageeinschätzungen.
Kurz nach Kriegsausbruch legte er die „Denkschrift betreffend die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde“ vor, in der er die Nutzung des Islam zur Destabilisierung der feindlichen Kolonien vorschlug. Zu diesem Zweck gründete er die  „Nachrichtenstelle für den Orient“, kurz NO. Oppenheim wusste, was er für den Erfolg einer islamischen Revolution unbedingt benötigte. In erster Linie Geld, viel Geld, Propaganda und Verbündete. Die fand er bei den Jungtürken in Konstantinopel. Diesen dort seit 1908 regierenden Revolutionären, die den Sultan de facto entmachtet hatten, schwebte die Wiedererrichtung des türkischen Großreiches vor. So ging man in Berlin ans Werk. Die Ziele waren:
Afghanistan – Arabien – Irak - Libyen – Persien – und der Sudan

Benötigt wurden Männer mit entsprechender Landeskunde. Die Suche nach ihnen war keine einfache Aufgabe.
Zu dieser Zeit hatten wenige Menschen ihr Heimatland jemals verlassen. In diese exotischen Länder waren noch die wenigsten gekommen. Aber es gelang. Man fand Abenteurer und Kaufleute – nicht viele, aber immerhin.

Afghanistan
Die Idee war, den Amir von Afghanistan dazu zu bringen, die Briten in Indien anzugreifen. Bereits zweimal in seiner Geschichte war Afghanistan von den Engländern angegriffen worden.
1839 und 1878, im ersten und zweiten Afghanistankrieg, hatte sich das Empire heftige Niederlagen eingehandelt.
Von der „Army of the Indus“ kam im Januar 1842 ein einziger Mann zurück: Dr. William Brydon erreichte Jalalabad.
1878 wurde die britische Gesandtschaft in Kabul mit dem Geschäftsträger Sir Louis Cavagnari niedergemacht. Die daraufhin stattfindende Invasion durch die Briten war verlustreich. Bei Maiwand wurden die britischen und indischen Truppen am 27. Juli 1880 vernichtend geschlagen. Das 66th Regiment of Foot hatte aufgehört zu existieren. Glaubt man Sir Arthur Conan Doyle, so wurde Dr. Watson, der Biograph von Sherlock Holmes, dort verwundet. Wie lautete doch die Ansprache bei ihrer ersten Begegnung: Sie kommen aus Afghanistan!
So lag es nahe, den Afghanen deutsche Waffenhilfe anzubieten, um britische Truppen in Indien zu binden. Betraut wurden damit Oberleutnant Oskar Niedermayer (geadelt 1918) und Werner Otto von Hentig, auswärtiges Amt. Über die Türkei zogen sie und ihre Mitkämpfer im April – Mai 1915 durch Persien Richtung Afghanistan, immer verfolgt von britischen und russischen Truppen, die verhindern sollten, dass die deutsche Expedition die afghanische Grenze überschreiten konnte. Trotz aller Probleme mit Land und Leuten stellte die Expedition am 22. August 1915 Kontakt zu den Afghanen her und war kurz darauf in Kabul, nur um dort längere Zeit auf einen Termin mit dem Amir zu warten. Schnell zeigte sich, dass die Afghanen keine rechte Lust hatten, in Britisch-Indien einzufallen. So verließen Hentig und Niedermayer im Mai 1916 mit einigen Expeditionsteilnehmern Kabul; Hentig reiste über China und die USA nach Deutschland zurück, wo er 1917 eintraf. Niedermayer trat die Rückreise nach Persien an, wo er im Juli 1916 ankam. 

Arabien
Die arabische Halbinsel gehörte zum türkischen Einflussgebiet. Allerdings hatten es die Türken geschafft, sich bei den Arabern recht unbeliebt zu machen. Die Türkei war als Besatzungsmacht verhasst. Lediglich ihre militärische Macht ließ die Araber stillhalten. Schon die Feldzüge des Sultans gegen die radikalislamischen Wahhabiten um 1830 hatten dazu geführt, dass die türkische Oberhoheit nur mit Waffengewalt aufrechterhalten werden konnte. Der Bau der Eisenbahnlinie nach Mekka hatte daher in erster Linie strategischen Hintergrund. Jetzt konnte man Truppen schnell verschieben.

Mit Ausbruch des Krieges hatten die britischen Behörden im Sudan Karl Neufeld nach Ägypten abgeschoben. Neufeld, der „Gefangene des Mahdi“, hatte 11 Jahre im Sudan in Khartoum in Ketten verbracht. 1887 auf einer Reise nach Kordofan, um Gummi Arabicum zu kaufen, fiel er in die Hände der Mahdisten. Nach der Schlacht von Omdurman im September 1898 wurde er durch Kitchener befreit. Später betrieb er mit seiner Schwester in Assuan die „Pension Neufeld“. Dann ging er um 1912 nach Omdurman zurück. Jetzt war er ein unerwünschter Ausländer. Die Ägypter wollten ihn ebenfalls schnell loswerden. Das Land befand sich noch nicht im Krieg mit Deutschland. So zahlte die britische Verwaltung Neufeld die Schiffspassage nach Italien. Bereits dort stellte er sich über das erste deutsche Konsulat dem Auswärtigen Amt zur Verfügung.
Man schickte Neufeld 1915 mit einer kleinen Eskorte und Geschenken, darunter ein Automobil für den Scherifen von Mekka, Hussein ibn Ali, ins Zentrum des Islam. Bevor er nach Mekka durfte, wurde Neufeld durch die Mullahs geprüft und als aufrechter Muslim anerkannt. Die Zeit im Sudan hatte er genutzt, um sich mit Islam und der Sprache zu beschäftigen. So konnte er in einigen Reden den Pilgern erklären, dass Kaiser Wilhelm der Beschützer des Islam wäre und man die ungläubigen Briten vertreiben müsse. Lediglich die Sache mit dem Geschenk für den Scherifen ging schief. Der Wagen musste am Ende der Eisenbahn abgeladen werden und sollte die restlichen Kilometer selbst fahren. Prompt blieb er im Sand stecken. Fahrer und Beifahrer gingen fort und holten Hilfe. Als sie zurückkamen, war das Auto demoliert. Vorbeikommende Beduinen hatten es für ein englisches Flugzeug gehalten. Sie hatten noch nie eins gesehen und dieses Spielzeug des Teufels gesteinigt. Nach seiner Rückkehr nach Berlin wurde Neufeld für eine neue Expedition vorgemerkt.

Die Expedition Stotzingen sollte über Arabien Äthiopien erreichen und dort eine Senderelaisstation aufbauen, damit die Funkstelle Nauen endlich wieder Kontakt zu Deutsch Ostafrika aufnehmen könne. Der amtierende äthiopische Herrscher Li Yasu war deutschfreundlich eingestellt. Dies basierte sicherlich auch auf einer Abneigung der Äthiopier gegen Großbritannien, nachdem die Briten 1868 nach einem diplomatischen Schlagabtausch den Krieg erklärt, eine Expedition ins Land geschickt und die Festung Magdala gestürmt hatten. Dabei war der amtierende Kaiser zu Tode gekommen. Wieder wurde der Weg über die Türkei gewählt. In Damaskus hielt der Befehlshaber der arabischen Front, Djemal Pascha, die Deutschen auf. Neufeld sprach mit dem dort anwesenden Sohn des Groß-Scherifen von Mekka, Faisal. Der reiste schleunigst ab und überbrachte die Nachricht seinem Vater. Hussein ibn Ali geriet in Panik. Er war ja bereits mit den Engländern in Kontakt und hatte erste Zahlungen in Gold erhalten. Er rief vorzeitig den arabischen Aufstand aus. Isolierte türkische Garnisonen wurden angegriffen, einige kleine Vorposten und auch Bahnstationen überrannt. Die Mission Stotzingen geriet am Bahnendpunkt bei El Ulla in den Ausbruch des Aufstands. Mit Glück rettete man sein Leben, aber nicht alles Material. Der Plan war gescheitert. Neufeld fuhr zurück nach Berlin, nicht ohne eine junge Kurdin zu heiraten. Stotzingen blieb mit seinen Männern in Damaskus und unterstützte die Türken.
Der arabische Aufstand verursachte zwar für die türkische Armee eine ganze Reihe von Problemen, war an sich aber unbedeutend. Die Briten setzten geschickt Gold und Waffen ein, um einen allgemeinen Aufstand gegen die Türken herbeizuführen. Die Gestalt von Thomas Edward Lawrence wird heute verklärt, nicht zuletzt wegen des Filmes „Lawrence von Arabien“.
Bedroht hat die Türkei die von Ägypten ausgehende Offensive durch General Allenby. Dank deutscher Unterstützung, dem Truppenkontingent „Yilderim“, konnten die Türken noch zwei weitere Jahre standhalten.

Irak
Der Irak gehörte 1914 zum Einflussgebiet des Ottomanischen Reiches. Auch hier saßen die Türken nicht fest im Sattel. Ihre Macht beschränkte sich auf größere Orte. Interessant war der Irak als Ausgangspunkt für einen Angriff auf die persischen Ölfelder der Anglo-Persian Oil Company. Hier wollte man die Pipeline sprengen und so einen Angriff ins Herz der britischen Admiralität tragen. Die Briten hatten erst kurz vorher ihre Kriegsflotte auf  Ölfeuerung umgestellt und waren zum Teil auf das persische Öl angewiesen.
Aus diesem Grund setzte man Major Fritz Klein auf die Sache an. Klein war der ideale Mann für diese Aufgabe. Nach 1911 hatte er je ein Jahr als Militärattaché in Kairo und Teheran gearbeitet. Er kannte die Mentalität der Orientalen. Zunächst waren aber über 2000 Kilometer Marsch über Land ohne vernünftige Infrastruktur zurückzulegen. Dann musste man sich auch hier wieder mit den Türken herumschlagen, die anscheinend gar kein Interesse an der Durchführung der Expedition hatten. Letztlich klappte es doch. Am 22. März 1915 sprengte ein Spezialkommando unter der Leitung von Hans Lührs die britische Pipeline bei Ahvaz. 320 Millionen Liter Öl gingen verloren. Mit Mühe konnte sich die Expedition wieder zurückziehen. Die Mitglieder wurden von Arabern bis auf die Haut ausgeraubt, kamen nur mit ihrem Leben davon. Später würde in diesem Gebiet bei Kut el Amara der britische General Townsend mit seiner Armee in türkische Gefangenschaft gehen. Es sollte dann noch bis 1917 dauern, bevor die Briten Bagdad erobern konnten. Major Klein ist da schon wieder an der Westfront.

Libyen
Bis 1911 war Libyen ein Teil des ottomanischen Reiches. Dann griffen die Italiener an und eroberten das Land von den Türken. Der kranke Mann am Bosporus hatte keine Chance. Es fehlte an Soldaten und Material. Die Balkankriege hatten die Türkei ausgeblutet. Einige wenige türkische Offiziere um Nuri Pascha, den Bruder Enver Paschas, konnten allerdings mit Hilfe der Stämme die italienischen Usurpatoren in den Küstenorten festnageln. Kein italienischer Soldat konnte sich außerhalb der Reichweite seiner Geschütze bewegen.
Bei Kriegsausbruch 1914 war Italien mit Deutschland und Österreich verbündet. Allerdings gab es schon damals ernste Zweifel, ob dieses Bündnis halten würde, oder ob die Italiener die erste Gelegenheit nutzen würden, um zur Entente überzulaufen. Man sorgte vor. Rittmeister Dr. Otto-Felix Mannesmann aus der Stahldynastie ging an das deutsche Konsulat in Tripolis. Als Vizekonsul getarnt, arbeitete er als Agent des deutschen und Osmanischen Reiches gegen die Briten in Ägypten. Es gelang ihm, Kontakt zu den Sanusiya des Ahmad as Sharif as Sanusi aufzunehmen. Mittels Geld und durch deutsche Waffenlieferungen konnte er sie zum Kampf gegen die Engländer bringen. So kam es, dass für kurze Zeit Teile von Ägypten unter die Herrschaft dieser islamischen Bruderschaft gerieten. Mannesmann bezahlte seinen Einsatz mit dem Leben. Er wurde am 10. April 1916 nach der Niederlage der Sanusis in Ägypten durch seine Verbündeten ermordet. Ob dabei die Engländer ihre Hände im Spiel hatten oder ob es aus Habgier geschah – Mannesmann hatte eine größere Summe in Gold dabei – wurde nie aufgeklärt. Nachdem man einige Zeit nichts mehr von ihm gehört hatte, schickte man Paul Freiherr Wolf von Todenwarth nach Libyen. Der fand den ermordeten Mannesmann und veranlasste seine Überführung mit dem U-Boot U 39 nach Cattaro. Von dort gelangte der Leichnam nach Remscheid und wurde dort im Familiengrab  am 20. November 1916 beigesetzt.
Paul Freiherr Wolf von Todenwarth setzte den Kampf gegen die Engländer und nun auch die Italiener fort. Unterstützt durch Waffenlieferungen per U-Boot oder Frachtsegler gelang es, die Italiener am Vordringen ins Landesinnere zu hindern. Die Briten in Ägypten mussten eine kostspielige Desert Patrol aufbauen, die mit Ford T Lastwagen, und Rolls Royce sowie Lanchester Panzerwagen die Wüstengrenze zu Libyen sicherte. Der Aufwand war erheblich und teuer. Mit Glück konnte man das westliche Nilufer halten. Die Wüste aber gehörte den Sanusi. Todenwarth und seine deutsche Mannschaft blieb bis Anfang 1919 in Libyen. Dann hatte man vom Kriegsende gehört, einen Soldatenrat gebildet und ihn abgesetzt. Nach kurzer Gefangenschaft bei den Italienern kam er nach Deutschland zurück. Seine Untergebenen warfen ihm vor, dass er sich zu ihren Lasten persönlich bereichert haben sollte. Das wurde nie geklärt, allerdings erhielt Todenwarth auch nie wieder ein Kommando.


Persien
In Persien regierte nach internen Querelen erst seit kurzem Ahmad Schah, der letzte aus dem Geschlecht der Kadscharen. Diesem war es noch nicht gelungen, in allen Teilen des Landes seine Autorität durchzusetzen. Im Norden hatten die Russen seit einigen Jahren mittels der persischen Kosakenbrigade praktisch die Regierung übernommen. Die einzige Macht, die im Land Anerkennung erhielt und weitestgehend akzeptiert wurde, war die persische Gendarmerie. Diese paramilitärische Truppe wurde von schwedischen Offizieren geführt. Sie waren in der Regel deutschfreundlich eingestellt, was sich bei Kriegsausbruch als großer Vorteil herausstellte.
Vorkehrungen für den Kriegsfall hatte man an der deutschen Botschaft in Teheran nicht getroffen. Überhaupt war man im Land nicht sehr gut aufgestellt. Es gab nur einige wenige Konsulate, davon eins in Bushir. Der Leiter war Wilhelm Wassmuss. Wir werden noch von ihm hören.
Nach den verlustreichen Kämpfen in Ostpreußen und vor allem in Galizien war eine erhebliche Anzahl Österreicher und einige Deutsche in russische Gefangenschaft geraten. Die Russen unterhielten Lager in Turkestan und später in Sibirien. Aus den Lagern in Turkestan entflohen eine ganze Reihe von Soldaten über die Grenze nach Persien. Diese kamen dann zur österreichischen oder deutschen Botschaft, wurden neu eingekleidet und bewaffnet und schufen so eine kleine Einsatztruppe. Nachdem sich Engländer und Russen bereits 1915 das Land vollständig angeeignet und unter sich aufgeteilt hatten, gingen die Deutschen zur Kriegsführung über. Russland beherrschte den nördlichen Teil, die Briten den Süden mit der Küste. Wilhelm Wassmuss gelang es nun durch seine ausgezeichneten Kontakte zu den Stammesfürsten, einen Guerillakrieg gegen die Engländer zu führen. So wurden im Hinterland von Bushier bis Anfang 1919 größere Einheiten der South Persian Rifles und Mengen an Material gebunden. Sein britischer Gegenspieler Christopher Sykes nannte Wassmuss bewundernd den „deutschen Lawrence“ – aus dem Mund eines Engländers ein Ehrentitel. Im Norden war man gegen die Russen nicht so erfolgreich, konnte aber bis 1917 doch einige Gefechte gewinnen. Nach Ausbruch der Revolution löste sich das russische Kontingent auf. Die Männer versuchten nach Russland zu kommen. Die Offiziere gingen zur weißen Armee oder den Briten über.
Die deutsche Expedition unter Oskar von Niedermayer hatte mit dem Sperrkordon der Briten und Russen zu kämpfen, als sie nach Afghanistan durchbrach. Wie wir gesehen haben, gelang dies unter Verlust einiger weniger Männer. Zufällig kam der Autor dieser Zeilen bei einem englischen Freund auf die Kämpfe in Persien zu sprechen. Der Freund holte das privat nur für die Familie gedruckte Tagebuch seines Großvaters aus der Bibliothek. Der hatte mit der 28th Light Cavalry den ostpersischen Kordon gebildet. Ein dort geschilderter Kampf findet sich genauso im Buch von Oskar von Niedermayer, „Im Weltkrieg vor Indiens Toren“, wieder.

Sudan
Der Sudan wurde schon von den ägyptischen Pharaonen erobert und wieder verloren. Mehmet Ali schickte um 1830 einen seiner Söhne in das sagenhafte Goldland Nubien. Er unterwarf zwar weite Teile des Nordens, bezahlte das aber mit seinem Leben. Um 1883 stand Mohamed Achmed, der „Mahdi“, auf und vertrieb die Ägypter für 15 Jahre.
Dann wurde das Land durch Lord Kitchener wiedererobert. In der Schlacht von Omdurman starb die mahdistische Armee im Feuer der Maschinengewehre und Lydite-Granaten, nicht aber die Idee.
So schickte man einen bekannten Forscher, Leo Frobenius, los, um im Sudan einen Aufstand auszulösen. Frobenius war Amateur, und so benahm er sich auch. Da die direkte Einreise nicht möglich war, wählte man den Weg über Eritrea. Die damalige italienische Kolonie am Roten Meer hatte eine direkte Grenze mit dem Anglo-Ägyptischen Sudan. Frobenius konnte die Italiener nicht lange über seine wirkliche Aufgabe täuschen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch mit Deutschland verbündet, setzte man den Gelehrten schnellstens in das nächste Schiff nach Italien und schaffte ihn außer Landes. Man wollte keine Probleme mit den Briten. Damit war der einzige Versuch, im Sudan eine Revolution auszulösen, schon in den Anfängen gescheitert.
Wie naiv die „Profis“ in Berlin agierten, zeigt die Tatsache, dass man in Karl Neufeld einen Mann mit ausgiebiger Sudanerfahrung gehabt hätte. Der konnte auch auf Bekannte und Freunde vor Ort zählen. Das wurde übersehen. Stattdessen schickte man Neufeld nach Arabien.

Österreich-Ungarn
Die Geschichte wäre nicht vollständig, wenn man nicht auch Alois Musil erwähnen würde. Der Österreicher mit böhmischen Wurzeln hatte mehrfach Arabien bereist und viele Bekannte und Freunde unter den dortigen Stämmen. Aber auch seine Mission konnte die Araber nicht an der Seite der Türken halten.

Erinnerung
In dem kleinen Ort Kirchenlamitz in Bayern wurde am Sonntag, dem 26. August 1934, das einzige Denkmal aufgestellt, das an die Orientexpeditionen des Großen Generalstabes erinnerte.
Dem ehemaligen Expeditionsleiter Major Fritz Klein ist es zu verdanken, dass man überhaupt der über 200 Gefallenen der Expeditionen gedachte. Das Monument wurde in den Werkstätten der Firma Reul AG Niederlamitzerhammer gefertigt und sollte ursprünglich in Hamburg aufgestellt werden. Dazu kam es nicht. Das Warum bleibt offen. Die Firma Reul stellte es am südlichen Hang ihres Werksgeländes auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal dem Zeitgeist entsprechend erst umgestaltet, dann entfernt. Heute erinnert an das Ehrenmal nichts mehr.
Die abenteuerlichen Expeditionen haben keinen Eingang in die deutsche Geschichte gefunden. Sie sind schlicht vergessen.

 

Quellen:
Baron Max von Oppenheim:
Archiv des Auswärtigen Amtes
Archiv des Bankhauses Sal. Oppenheim & Cie. - Max von Oppenheim Stiftung
Teichmann, Gabriele und Völger, Gisela – Faszination Orient, ISBN-10: 3832158499, ISBN-13: 978-3832158491, 2003

Afghanistan:
Archiv des Auswärtigen Amtes
C.P. Mills – A Strange War, ISBN-10: 0862993776, ISBN-13: 978-0862993771, 1988
Niedermayer, Oskar Ritter von - Im Weltkrieg vor Indiens Toren, 1936
Uloth, Gerald 28th Light Cavalry – Riding to War, Privatdruck seines Kriegstagebuches 

Arabien:
Archiv des Auswärtigen Amtes
Brown, Malcolm – Lawrence von Arabien, Bilder einer Legende, ISBN-10: 3894792485,
ISBN-13: 978-3894792480, 2005
Feigl, Erich – Musil von Arabien, ISBN-10: 3548275605, ISBN-13: 978-3548275604, 1997
Neulen, Hans Werner – Feldgrau in Jerusalem, ISBN-10: 3800414376, ISBN-13: 978-3800414376, 2002
Schwabe, Norbert – Deutsche Soldatengräber in Israel, ISBN-10: 3402002310, ISBN-13: 978-3402002315, 2008
Stewart, Desmond – Lawrence von Arabien, ISBN-10: 354648777X, ISBN-13: 978-3546487771, 1979

Irak:
Archiv des Auswärtigen Amtes
Frey, Waldemar – Kut el-Amara, ASIN: B00R8DJOAY, 1932
Veltzke, Veit – Unter Wüstensöhnen, ISBN-10: 3894798491, ISBN-13: 978-3894798499, 2014
Veltzke, Veit – Playing Lawrence on the other side,
ISBN-10: 3894799021
ISBN-13: 978-3894799021, 2014
Begleitschrift zur Ausstellung des Preussen Museums Wesel vom 28.10. 2014 – 25.01.2015

Libyen:
Brandt-Mannesmann, Ruthild – Dokumente aus dem Leben des Erfinders
McGuirk, Russel – The Senussi‘s little War, ISBN-10: 0954479270
ISBN-13: 978-0954479275, 2007
von Todenwarth, Paul Freiherr Wolf – unveröffentliches Kriegstagebuch über den Libyeneinsatz

Persien:
Archiv des Auswärtigen Amtes
C.P. Mills – A Strange War, ISBN-10: 0862993776, ISBN-13: 978-0862993771, 1988
Neulen, Hans Werner – Feldgrau in Jerusalem, ISBN-10: 3800414376, ISBN-13: 978-3800414376, 2002
Niedermayer, Oskar Ritter von - Im Weltkrieg vor Indiens Toren, 1936
Uloth, Gerald 28th Light Cavalry – Riding to War, Privatdruck seines Kriegstagebuches 
Sykes, Percy – Wassmuss, der deutsche Lawrence

Sudan:
Archiv des Auswärtigen Amtes
Streck, Bernhard – Leo Frobenius. Afrikaforscher, Ethnologe, Abenteurer, ISBN 978-3-95542-084-0, 2014

Erinnerung:
Niedermayer, Oskar Ritter von - Im Weltkrieg vor Indiens Toren, 1936
Stadtarchiv Kirchenlamitz
Veltzke, Veit – Unter Wüstensöhnen, ISBN-10: 3894798491, ISBN-13: 978-3894798499, 2014