Verriegelung ist nicht nur wichtig, wenn man das Haus verlässt… –
Grundgedanken zu Verriegelungssystem bei Schusswaffen
Dr. Andre K.
Ein Wort vorab:
Dem Sportschützen oder versiertem Waffensammler wird dieser Artikel wenig Neues vermitteln können. Der Artikel soll vielmehr das Interesse von Neulingen an dem spannenden Thema „Verriegelung von Schusswaffen“ wecken und Grundlagen vermitteln. Es geht auch nicht darum, alle Entwicklungen und Sonderwege darzustellen, sondern den „Mainstream“ der technischen Entwicklungen einfach zu erklären und einem roten Faden zu folgen.
Wie alles begann…ein kurzer Abriss
Wenn wir an frühe Schusswaffen denken, dann fallen uns instinktiv alte Vorderladerwaffen ein und Wikipedia bezeichnet diese Waffen zurecht als „ursprünglich[st]e Form der Feuerwaffe“. Warum nutzen die ersten von Menschen erdachten Feuerwaffen diese Bauform? Der prinzipielle Aufbau der ersten im 13. Jahrhundert entwickelten Feuerwaffe besteht aus einem einfachen Rohr, das an einem Ende verschlossen ist (stoffschlüssige Verriegelung). In dieses Rohr wird von vorne Schwarzpulver gefüllt, evtl. gefolgt von einer Lage Verdämmungsmaterial und schließlich ein zu diesem Zeitpunkt meist rundes Geschoss, das im Idealfall den inneren Rohrquerschnitt der Laufbohrung komplett ausfüllt. Um das Schwarzpulver zu entzünden, muss das Rohr am eigentlich verschlossenen Ende eine kleine Öffnung erhalten, durch die ein Zündfunke an das Pulver geführt werden kann. Der Expansionsdruck der brennenden Explosionsgase treibt das vorher mühsam in das Rohr / den Lauf hinab gedrückte Geschoss wieder in Richtung Mündung aus dem Lauf. Ein ähnliches Prinzip hat ein Blasrohr, wenn man davon absieht, dass das Geschoss von hinten in das Blasrohr eingeführt und zum Antrieb des Projektils der Atem des Schützen genutzt wird. Die zum Antrieb des Geschosses einer Feuerwaffe verwendeten brennenden Gase würden jedoch eine Gefahr für den Schützen darstellen, könnten sie nach hinten in seine Richtung entweichen. Das ist der Grund, warum die dem Schützen zugewandte Seite des Rohrs der ersten Feuerwaffen stoffschlüssig verriegelt ist. Die Zündöffnung für den Funken ist nur minimal groß.
Da der Ladevorgang und das Verpressen von der Laufmündung her einige Zeit in Anspruch nimmt, entwickelte sich die Technik weiter und Hinterladerwaffen wurden entwickelt. Bei diesen Waffen kann das hintere Ende des Laufs geöffnet und das Geschoss samt Treibladung von hinten eingeführt werden. Zuerst geschah das in Form von Papierpatronen, die Treibladung und das Geschoss zu einer einzigen vorgefertigten Einheit bündeln, später in Form von Einheitspatronen mit der Treibladung in einer Metallhülse, in die ein Geschoss eingepresst wird. Die Treibladung wird nun nicht mehr direkt durch offenes Feuer oder Funken gezündet, sondern durch den mechanischen Aufschlag eines Schlagbolzens auf einen Zündsatz (gegebenenfalls ein Zündhütchen) welcher eine Substanz enthält, die sich auf einen Schlag hin entzündet und der in der Regel in den Patronenboden integriert ist. Bevor die Patrone allerdings gezündet werden darf, muss das hintere Ende des Laufs wieder verschlossen werden. Nur der Schlagbolzen darf durch ein kleines Loch im abschließenden Stoßboden der Verschlusseinheit hindurchtreten. Der Schütze muss wieder vor den brennenden Gasen geschützt werden, während das Geschoss unter Druck nach vorne durch den Lauf getrieben wird. Spätestens mit der Entwicklung von rauchlosem Pulver können die entstehenden Gasdrücke mehrere tausende von Bar Druck erreichen. Die Verriegelung bei frühen Hinterladern erfolgte in der Regel formschlüssig. Formschlüssig bedeutet hier einfach ausdrückt, dass ein mechanischer Riegel hinter das Patronenlager geschoben wird oder der Verschluss hinter dem Patronenlager in eine arretierte Position fällt, die ein Zurückweichen nach hinten verhindert. Als gängig etablierten sich bald zylinderförmige Verschlusseinheiten mit Verriegelungswarzen, die in korrespondierende Nuten am Systemgehäuse einrasten in der verriegelten Position. Die Verriegelung darf erst geöffnet werden, wenn das Geschoss den Lauf verlassen hat. Solange das Ver- und Entriegeln manuell ausgeführt wird, ist das zeitlich unkritisch, da das Geschoss auf mehrere hundert Meter pro Sekunde beschleunigt wird und den Lauf verlassen hat, bevor eine Repetierbewegung manuell ausgeführt werden kann.
Der Wunsch nach immer schnellerer Feuergeschwindigkeit
Nachdem die Feuergeschwindigkeit im 19. Jahrhundert zunächst fundamental dadurch erhöht worden ist, dass ein Schütze eine größere Anzahl vorgefertigter Einheitspatronen mit Metallhülsen witterungsgeschützt mitführen konnte und durch die Repetierbewegung des Verschlusses (Verschluss durch Rotation entriegeln, zurückziehen um mit Hilfe der Auszieherkralle die abgefeuerte Hülse aus dem Patronenlager zu entfernen und anschließend die Verschlusseinheit wieder nach vorne schieben um eine neue Patrone aus dem Magazin in das Patronenlager zu schieben und abschließend den Verschluss wieder entgegen gesetzt rotieren um ihn wieder zu verriegeln) die Waffe erneut feuerbereit zu machen, ersann man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Feuerwaffen, die den Ladevorgang halbautomatisch ausführten. Solange sich Patronen im (zunächst eingebauten) Magazin befanden, konnte der Schütze durch erneutes Betätigen des Abzugs einen neuen Schuss auslösen. Eine konstruktiv einfache Lösung für einen automatisierten Ladevorgang stellt bei Kurzwaffen ein kraftschlüssiges Verschlusssystem mit Schließfeder dar.
Durch den Gasdruck, den die entzündete Treibladung aufbaut, wird einerseits das Geschoss durch den Lauf hindurch nach vorne zur Mündung beschleunigt, andererseits wirkt dieser Druck auch auf den Hülsenboden der abgefeuerten Patrone und versucht die Patronenhülse nach hinten zu schieben. Das kann man sich zu Nutze machen.
Allerdings, und das ist entscheidend, beginnt die Rückwärtsbewegung der Verschlusseinheit erst, wenn ihre Massenträgheit überwunden ist. Zu dem Zeitpunkt an dem das Geschoss den Lauf verlassen hat, hat sich die Patronenhülse erst um wenige Millimeter (Daumenregel Sicherheitsstrecke <= 2 mm) nach hinten bewegt. Da die Patronenhülse und das Patronenlager nicht ganz zylindrisch, sondern leicht konisch (größerer Radius am Hülsenboden) ausgeführt sind, werden die Seitenwände der Hülse radial nicht mehr durch das Patronenlager abgestützt, sobald die Rückwärtsbewegung der Hülse begonnen hat. Der Gasdruck sorgt dafür, dass sich die Hülse leicht „aufbläht“ (lidert in der Fachsprache) und damit das Entweichen brennender Gase seitlich an der Hülse vorbei verhindert. Auf dem Weg zurück zieht die Verschlusseinheit mit Hilfe einer Auszieherkralle die Hülse der abgefeuerten Patrone komplett aus dem Patronenlager und wirft sie mit Hilfe des Ausstoßers aus. Die Spiralfeder des Schließmechanismus kommt in der Regel erst zum Tragen, wenn die Verschlusseinheit in ihrer hintersten Stellung angekommen ist. Dann nämlich kehrt die Federkraft die Bewegungsrichtung der Verschlusseinheit um.
Die Annahme, dass die Spiralfeder der eigentlichen Verriegelung dient, ist falsch. Die Spiralfeder schließt lediglich das System wieder. Ein eventuell vorhandener Puffermechanismus kann die Wucht des Anschlags der Verschlusseinheit in ihrer hintersten Stellung abmildern, mehr aber nicht. Auf dem Weg nach vorne schiebt die Verschlusseinheit die oberste Patrone im Magazin mit nach vorne und über eine Zuführrampe in das Patronenlager. Ein clever konstruiertes System namens Unterbrecher gibt dabei den Auslösemechanismus einer „aufschießenden Waffe“ erst frei, wenn die Verschlusseinheit das Patronenlager von hinten wieder verriegelt hat.
Verriegelt das System fehlerfrei, wird ein menschlicher Schütze auch ohne zusätzliche Blockierung des Auslösemechanismus kaum in der Lage sein, den Finger am Abzug zweimal hintereinander so schnell zu krümmen, dass ein weiterer Schuss ausgelöst wird, bevor der Verriegelungsblock wieder in seiner vorderen Ruheposition angekommen ist und dem Schützen brennende Gase entgegenschlagen könnten. Umgangssprachlich wird eine solche kraftschlüssige Verriegelung als „Masseverschluss“-System bezeichnet. Die Masse der Verschlusseinheit muss dabei so groß sein, dass der Moment, in dem die Verschlusseinheit das Patronenlager von hinten „frei“ gibt, solange verzögert wird, bis das Geschoss den Lauf verlassen hat und die Pulvergase nach vorne entwichen sind.
Für Gewehrkaliber würde die kraftschlüssige Verriegelung eine unhandlich große Masse erfordern. Selbst Pistolenkaliber wie 9x19 mm Luger mit einem max. Gasdruck von rund 2350 bar erfordern bereits eine für Kurzwaffen (Pistolen) unhandlich große Masse, um dem Schützen Sicherheit zu gewähren. Das Prinzip konnte also nur für Patronen bis zu einer Stärke etwa einer 7,65mm Browning (auch .32 ACP genannt) [1600 bar max. Gasdruck] oder 9mm Makarow verwendet werden.
Also zurück zur Rotation
Erfolgreiche Verriegelungssysteme für starke Gewehrkaliber wie die 8x57 IS Patrone existierten in Deutschland seit Ende des 19.Jahrhunderts. Als Beispiel sei hier das klassische Mauser-System des Gewehrs G98 genannt. Das Mauser-System basiert auf einem Rotationsverschluss mit zwei gegenüberliegenden Verriegelungswarzen am Verschlusskopf, die sich in der verriegelten Position in korrespondierenden Aussparungen im Systemgehäuse abstützen (formschlüssige Verriegelung). Dieses System hält dem max. Gasdruck von rund 3900 bar stand, musste aber manuell durch die typische Repetierbewegung betrieben werden. Es war während des zweiten Weltkriegs noch immer das System der Standardwaffe der deutschen Wehrmacht, des kurzen Karabiner 98 (K98k).
Hier eine erläuternde Präsentation, die auf einer Veranstaltung der Sammlervereinigung aufgenommen wurde:
Zur Fokussierung auf das Thema Verriegelungssysteme wurde dem Verschlusskörper die Auszieherkralle entnommen. Bildnummerierung von 1 (links oben) nach 8 (rechts unten):
(1) und (4):
Man sieht den Kopf des Verschlusskörpers eines K98k mit seinen zwei kräftigen Verriegelungswarzen. Zentral im Stossboden erkennt man die Durchtrittsöffnung für den Schlagbolzen.
(2):
Der Verschluss eines K98k kurz vor dem Patronenlager. Man erkennt auf der linken Innenseite des Systemgehäuses die Nut in der die linke Verriegelungswarze geführt wird.
(3):
Man sieht das Systemgehäuse und den Verschlusskörper eines K98k mit seinen zwei kräftigen Verriegelungswarzen am stossbodenseitigen Ende.
(5):
Hier sieht man nun auch die rechtsseitige Nut im Systemgehäuse und die in die Nut gleitende rechte Verriegelungswarze des Verschlusskopfs.
(6):
Man sieht das Systemgehäuse und den Verschlusskörper eines K98k mit seinen zwei kräftigen Verriegelungswarzen am stossbodenseitigen Ende. Außerdem erkennt man links und weiter vorne an der Systemhülse auch auf der rechten Seite die Nuten in denen sich die Verriegelungswarzen nach vorne bewegen.
(7) und (8):
Das System ist verriegelt. Der Verschluss ist bis zum Anschlag im Uhrzeigersinn rotiert.
In den USA war der M1 Garand ab 1936 die Standardwaffe der GIs. Hierbei handelt es sich um ein mit Gasdruck betriebenes halbautomatisches Gewehr im Kaliber .30-06 Springfield (max Gasdruck 4050 bar). Die Verriegelung des Garand basiert ebenfalls auf einem rotierenden Verschluss mit zwei Verriegelungswarzen, die sich in der Systemhülse in entsprechenden Aussparungen abstützen. Bei diesem System wird Gas durch eine kleine Bohrung vom Lauf abgezapft, kurz bevor das Geschoss den Lauf verlässt. Dieser Gasdruck treibt nun einen Kolben an, welcher wiederum einen Spannschieber in Bewegung setzt. Dieser „hebt“ die Verriegelungswarzen des Verschlusses aus den Verriegelungsaussparungen, indem der Verschluss in Rotation versetzt wird, bevor er geführt durch den Spannschieber und eine Nut im Systemgehäuse zurückgleiten kann. Am Ende der Rückwärtsbewegung werden Verschlusseinheit und Spannschieber durch eine gestauchte Spiralfeder wieder nach vorne bewegt. Die Bewegung wird beendet durch die Rückkehr des Verschlusses in die verriegelte Position: Das System ist nun zur Abgabe des nächsten Schusses bereit. Der Verschluss ist im Moment der Betätigung des Abzugs in verriegelter Stellung. Man nennt dies ein „aufschießenden System“.
Zur Fokussierung auf das Thema Verriegelungssysteme wurden dem Verschlusskopf unwesentliche Kleinteile entnommen. Es fehlen vor allem der Schlagbolzen, die Auszieherkralle mit Feder und der Ausstosserstift. Der Verschluss wird zu Demonstrationszwecken manuell und nicht durch die Verschlussführung im Spannschieber bewegt. Bildnummerierung von 1 (links oben) nach 5 (rechts unten):
(1):
Der Verschluss wird linksseitig in einer Nut in der Systemhülse geführt. Die Verlängerung der rechten Verriegelungswarze würde normalerweise in einer Nut im Spannschieber geführt. Das System ist entriegelt.
(2) und (3):
Man erkennt das Profil der rechten Verriegelungswarze. Der Teil, der sich in der Systemhülse abstützt, besitzt vertikale eine Fläche, damit der Verschluss unter Druck vom Stossboden her, nicht entriegelt. Der weiter außenliegende Teil der Warze besitzt zwei schräge Flächen. Gleitet der Spannschieber auf seinem Weg nach vorne mit seiner Führungsnut über die obere schräge Fläche, wird der Verschluss im Uhrzeigersinn rotiert bis er fest in der Verriegelung liegt. Ist der Spannschieber in der Rückwärtsbewegung hebt er den Verschluss aus der verriegelten Position und rotiert ihn gegen den Uhrzeigersinn.
(4):
Der Verschluss des M1 Garand liegt verriegelt in vorderster Stellung. Man kann gut Verriegelungswarzen rechts und links erkennen sowie die Nuten in denen sie sich abstützen. Die rechte Verriegelungswarze ist verlängert, da sie normalerweise im Spannschieber geführt wird.
(5):
Detailaufnahme des verriegelten Verschlusskopfs.
Das Prinzip war so überzeugend, dass es Mikhail Kalashnikov nach dem zweiten Weltkrieg für seine legendäre AK47 wieder aufgegriffen hat. Schätzungen beziffern die Gesamtproduktion dieses robusten Sturmgewehrs immerhin auf mehr als 72. Mio. Stück. Das spricht nach Meinung des Autors für die technische Qualität des Systems, wenn auch seine Anwendung verwerflich sein mag.
Zur Fokussierung auf das Thema Verriegelungssysteme wurde dem Verschlusskörper die Auszieherkralle entnommen. Bildnummerierung von 1 (links oben) nach 10 (rechts unten):
(1)
Der Verschlusskopf einer AK47 im Verschlussträger. In dieser Position sieht man oben eine der Verriegelungswarzen und im zugewandten Bereich mit den schrägen Flächen den Führungszapfen, der in der Nut im Verschlussträger geführt wird und die Rotationsbewegung steuert.
(2)
Vor dem Patronenlager sieht man eine der Nuten im Gehäuse in der die Verschlusskopfwarzen bei der Verriegelung ruhen.
(3)
Auf diesem Bild sieht man, wo die Verriegelungswarzen des Verschlusskopfs im Gehäuse beidseitig verriegeln.
(4)
Verschlusskopf im Verschlussträger. Man kann gut erahnen wie die schräge Fläche am Führungszapfen des Verschlusskopfs im Zusammenspiel mit der korrespondierenden Nut dazu genutzt wird, die Rotation des Verschlusskopfs zu steuern.
(5)
Verschlusskopf im Verschlussträger von unten gesehen. Man erkennt gut die schräg verlaufende Nut im Verschlussträger, die die Rotation des Verschlusskopfs steuert. Aufgrund der Waffengesetze in Deutschland ist der Stossboden des Verschlusskopfs schräg abgeschliffen und das Zündloch verschweißt.
(6)
Ein Blick auf den Verschlussträger mit eingesetztem Verschlusskopf von der Unterseite. Die rechte und die linke Verriegelungswarze sind zu erkennen, ebenso wie die schräg verlaufende Führungsnut im Verschlussträger. Der Verschlusskopf ist noch nicht in vorderster Stellung.
(7)
Ein weiterer Blick auf den Verschlussträger mit eingesetztem Verschlusskopf von der Unterseite. Die rechte und die linke Verriegelungswarze sind zu erkennen, ebenso wie der Anfang der schräg verlaufenden Führungsnut im Verschlussträger. Der Verschlusskopf ist jetzt in vorderster Stellung. Die Verriegelungswarzen befänden sich in dieser Stellung im Gehäuse in der finalen verriegelten Position.
(8)
Verschlussträger und Verschluss sind in das Gehäuse eingesetzt. Der Verschlussträger steht relativ weit hinten. In dieser Position hätte der Verschlusskopf gerade damit begonnen die oberste Patrone aus dem Magazin in das Patronenlager zu schieben.
(9)
Verschlussträger und Verschluss sind in das Gehäuse eingesetzt. Der Blick durch den Magazinschacht zeigt den Verschlusskopf in der Vorwärtsbewegung.
(10)
Verschlussträger und Verschluss sind in das Gehäuse eingesetzt. Der Blick durch den Magazinschacht zeigt den Verschlusskopf in vorderster verriegelter Position.
Auf amerikanischer Seite orientierte sich Eugene Stoner für sein als AR-15 oder M16 bekanntes Sturmgewehr ebenfalls an einem System mit Rotationsverschluss. Allerdings verriegelt sein Verschlusskopf nicht mit zwei großen kräftigen, sondern mit sieben kleineren Warzen. Das AR-15 wurde mit Fokus auf Gewichtsoptimierung entwickelt. Es gibt keinen Gaskolben, sondern einen direkten Gasantrieb, der den Verschlussträger in Bewegung versetzt. Das Gehäuse bzw. sein Ober- und sein Unterteil sind aus verdichtetem Aluminium gefertigt. Aber die sogenannte „barrel extension“ (~Lauferweiterung), in der der rotierende Verschlusskopf mit seinen Warzen verriegelt, ist immer noch aus Stahl gefertigt, damit sie der mechanischen Belastung standhalten kann.
Zur Fokussierung auf das Thema Verriegelungssysteme wurden dem Verschlusskopf und dem Verschlussträger unwesentliche Kleinteile entnommen. Es fehlen vor allem der Schlagbolzen, die Auszieherkralle mit Feder und der Ausstosserstift. Abgebildet ist ein OA-15 als Vertreter der AR-15 Familie.
Bildnummerierung von 1 (links oben) nach 11 (rechts unten):
(1):
Verschlusskopf eines AR-15 mit seinen 7 Verriegelungswarzen. Das Foto zeigt den Stossboden. Die größere Aussparung im Kranz der 7 Verriegelungswarzen würde normalerweise von der Auszieherkralle eingenommen. Gegenüberliegend sitzt beim vollständig bestückten Verschlusskopf der Ausstosserstift. Durch die kleine zentrale Bohrung im Stossboden tritt der Schlagbolzen zum Zünden der Patrone. Der Verschlusskopf befindet sich im Verschlussträger.
(2):
Dieses Bild zeigt den Verschlussträger (von unten) mit eingesetztem Verschlusskopf. Die längsverlaufenden Nuten unter dem Verschlussträger sind notwendig, damit der Verschlussträger über die Magazinlippen gleiten kann.
(3) und (4):
Verschluss und Verschlussträger sind in das obere Gehäuse (Upper) eines AR-15 eingesetzt. Die Klappe des Auswurffensters ist offen. Man erkennt einige der zu den Verriegelungswarzen des Verschlusskopfes korrespondierende Aussparungen in der Lauferweiterung (barrel extension). Sobald die Verriegelungswarzen die Aussparungen auf dem Weg nach vorne passiert haben, rotiert der Verschlusskopf in die verriegelte Position. Der Verschlusskopf kann jetzt nicht mehr zurückweichen.
(5), (6), (7), (10) und (11):
Ein Blick in den Upper von unten. Außer den zu den Verriegelungswarzen des Verschlusskopfes korrespondierenden Nuten erkennt man auch die zwei in die barrel extension eingearbeiteten Zuführrampen für die Patronen. Das Magazin eines AR-15 ist zweireihig und auch die Zufuhr der Munition erfolgt abwechselnd zweireihig von rechts und von links.
(8) und (9):
Der Verschluss ist auf dem Weg nach vorne. Die Stellung der Verriegelungswarzen ist jetzt so, dass der Verschlusskopf in die barrel extension hineinrutschen kann.
Auch der deutsche Hersteller Heckler und Koch setzte bei seinen Sturmgewehren G36 und dem HK416 immer noch auf rotierende Verschlussköpfe mit Verriegelungswarzen. Das Prinzip ist also längst nicht überholt.
Der Standard für halbautomatische Pistolen
John Moses Browning setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinem „Browning Verriegelungssystem“ den Standard für das nächste Jahrhundert. Außen im Bereich der Laufwurzel besitzt der Lauf auf der Oberseite tangential-verlaufende Verriegelungskämme. Der Schlitten der Pistole hat Nuten, die damit korrespondieren, wenn sich Lauf und Schlitten in der verriegelten Position befinden. Nach der Schussabgabe läuft der Lauf ein kurzes Stück mit dem Schlitten zurück und wird dann über ein Kettengelenk nach unten abgesenkt und aus der Verriegelung gezogen, während der Schlitten weiter zurückläuft und später auf seinem Weg nach vorne die nächste Patrone mitnimmt. Die Schließfeder ist unter dem Lauf platziert. Das prominenteste Beispiel ist die Colt Government Model - auch als M1911 - bekannte Pistole. Das Prinzip wurde vielfach kopiert. Der nächste nennenswerte Entwicklungsschritt ist, die Verriegelungsnuten nicht als Bestandteil des Laufs zu fertigen, sondern ein simpel zu fertigendes zylindrisches Laufröhrchen in einen separat gefertigten Block einzusetzen. Dieser Block verriegelt formschlüssig an den Kanten des Auswurffensters mit dem Schlitten in der vorderen feuerbereiten Position (wie z.B. bei der P220-Familie der Firma Sig Sauer).
Und welche Entwicklung haben automatische Waffen für Pistolenkaliber genommen?
Die von der Schulter gefeuerten Maschinenpistolen (MPs) der ersten Generation, beginnend mit der deutschen von Hugo Schmeisser entwickelten MP18.1 bis hin zu einigen noch nach 1945 entwickelten Maschinenpistolen, basieren auf der schon früher bei Kurzwaffen verwendeten rein kraftschlüssigen Verriegelung. Es ist bereits erwähnt worden, dass eine typische Kurzwaffenpatrone wie die 9x19mm Luger bei rein kraftschlüssiger Verriegelung eine für eine Pistole unhandliche Verschlussmasse verlangt. Kommt jetzt hinzu, dass eine hohe Schussfolge erzielt werden soll, wird eine Abstützung an der Schulter unumgänglich, wenn man die Waffe bei Abgabe von Reihenfeuer-Salven weiterhin kontrolliert im Ziel halten will. So gingen die typischen MPs der ersten Generation äußerlich wieder einen Schritt in Richtung Gewehr.
Charakteristisch für diese erste Generation sind Holzschäfte und aus einem massiven Metallblock gefräste oder gedrehte Gehäuse. Wird der Abzug betätigt, schnellt der Verschlusskörper getrieben von der Schließfeder nach vorne, nimmt eine Patrone aus dem Magazin mit, schiebt sie ins Patronenlager und zündet die Patrone. Man nennt das ein „zuschießendes System“ im Gegensatz zum oben beschriebenen „aufschießenden System“. Der Verschlusskörper ist massig. Die übliche Schließfeder wirft die Verschlusseinheit nach dem Ende der Rückwärtsbewegung wieder nach vorne. Die eigentliche Verriegelung im entscheidenden Moment erfolgt wieder durch die Massenträgheit des Verschlusskörpers, nicht durch die Schließfeder.
Im Gegensatz zu typischen frühen Selbstladepistolen, bei denen die Schließfeder als Spiralfeder oft um den Pistolenlauf gewunden war (klassisches Beispiel Walther PP oder PPK), sind die typischen Schließfedern von MPs hinter dem Verschlusskörper angebracht. Spiralfedern mit geringem Windungsdurchmesser saßen auf Führungsstangen oder zur Stabilisation in teleskopischen Hohlkörpern. Einfachere Konstruktionen hatten einen größeren Windungsdurchmesser der Schließfeder nahe dem Innendurchmesser der führenden Systemhülse. So konnte die Feder nicht abknicken, wenn sie gestaucht wurde. Der angesprochene massige Verschluss bewegt sich nach dem Abkrümmen des Abzugs aus der gespannten Position nach vorne, nach der Zündung der Patrone von vorne nach hinten zurück. Diese „wandernde“ Masse erschwert eine ruhige auf das Ziel gerichtete Haltung der MP. Daher verwenden moderne MPs gerne formschlüssige Verriegelungssysteme mit Verschlusskörpern und Verschlussträgern kleinerer Masse (wie ihre größeren Brüder, die Sturmgewehre).
Sollte dieser kurze Abriss das Interesse des Lesers an der Thematik „Verriegelungs- und Verschlusssysteme“ geweckt haben, empfiehlt der Autor die tiefergehende Lektüre von Peter Danneckers Buch (siehe Referenzen).
Referenzen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Vorderlader
https://www.planet-wissen.de/technik/erfindungen/schusswaffen/index.html
https://de.wikipedia.org/wiki/9_×_19_mm
https://de.wikipedia.org/wiki/7,92_×_57_mm
https://de.wikipedia.org/wiki/.30-06_Springfield
https://en.wikipedia.org/wiki/Kalashnikov_rifle
„Verschlusssysteme von Feuerwaffen“ von Peter Dannecker, ISBN: 978-3-936632-97-2
Wir prüfen derzeit die Möglichkeiten zur vorübergehenden Überlassung von Salutwaffen an Berechtigte für die im Gesetz insbesondere genannten Zwecke:
· Theateraufführungen
· Foto-, Film- oder Fernsehaufnahmen
· für die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen oder Veranstaltungen der Brauchtumspflege
Nur vorübergehende Überlassung und nur an Berechtigte mit Nachweis! Berechtigt kann nur ein WBK-Inhaber sein. In der Regel wird immer eine vor Ort anwesende Aufsichtsperson zu den Salutwaffen gestellt. Für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben insbesondere zum Umgang mit oder zum Führen von Salutwaffen, ist der Empfänger selbst verantwortlich.
Details bzgl. der Bedingungen, den zu übernehmenden Kosten bzw. einer zu hinterlegenden Kaution auf Anfrage. Kontaktaufnahme ausdrücklich erwünscht.