Sammelstück des Monats

Colt Mod. 1911A1

Colt/Remington/High Standard/USA; Kaliber .45 ACP; 1942/1944, überholt nach 1954

 

Die Colt-Pistole ist die Ordonnanzwaffe mit der weltweit längsten Dienstzeit. Eingeführt am 23.03.1911 als Model 1911 wurde sie aufgrund verschiedener Modifikationen 1923 in Model 1911A1 umbenannt. Sie war bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts im Einsatz. Die Firma Colt konnte im 2. Weltkrieg den Bedarf der Fronten nicht allein decken, so dass Zulieferer aber auch Mitproduzenten eingeschaltet werden mussten. Spannend wird es, weil die Mitprodu­zen­ten nicht nur komplette Pistolen montierten, sondern wiederum auch Teile an andere Hersteller lieferten. Die Analyse einer jeden Colt 1911A1 ist daher ein reizvolles Unterfangen. Stempel und Beschriftungen geben dem Kundigen die richtigen Antworten.

 

Das Griffstück der vorliegenden Pistole stammt aus der Fertigung der Firma Remington Rand – die Zahl „4“ am Abzugsbügel weist auf das Jahr 1944 hin. Das Verschlussstück dagegen stammt von der Firma Colt. Um seine Seriennummer zu finden, muss man die Abdeckplatte des Schlagbolzens entfernen: Die Zahl hier weist dem Verschlussstück das Herstellungsjahr 1942 zu. Der Lauf wiederum stammt von der Firma High Standard (genau gesagt: Es ist ein Lauf Typ 18 – der Kenner unterscheidet nämlich 19 verschiedene Laufvarianten …) und gehört somit zum Remington-Griffstück, da zu dessen Entstehungszeit ein Vertrag über die Lieferung von Läufen zwischen diesen beiden Firmen bestand. Dann findet sich auf der Waffe noch das Beschusszeichen von Birmingham aus der Zeit nach 1954. Sie ist damit nach einer Instandsetzung in Großbritannien neu beschossen worden, wahrscheinlich als Griffstück/Lauf durch ein neues Verschlussstück komplettiert wurden, denn die Beschusszeichen sind vor einer erneuten Phosphatierung aufgebracht worden. Wer phosphatiert? Im Regelfall das Militär, was nahe legt, dass diese Pistole zumindest Mitte der 50er Jahre noch in britischem Militärbesitz war.

 

Damit aber sind wir schon wieder im 2. Weltkrieg angelangt, denn aufgrund des „Lend-Lease Act“ (vom US-Kongress am 18.02.1941 verabschiedet) lieferten die damals offiziell noch neutralen Vereinigten Staaten von Amerika an Großbritannien (und andere Staaten, die mit dem Deutschen Reich im Krieg lagen) kriegswichtiges Material auf Leihbasis – so auch große Stückzahlen der Colt M1911A1. Links vom Schlittenfanghebel findet sich normalerweise der Stempel eines us-amerikanischen Arsenals. Hier fehlt er – ein weiteres Argument dafür, dass es sich um eine Lieferung aus dem „Lend-Lease Act“ handelt. Die Endabnahme bei der Firma Colt machte ein namentlich nicht mehr bekannter Army-Inspektor mit dem Kürzel „FJA“ (linke Rahmenseite). Es ist daher anzunehmen, dass die vorliegende Pistole zunächst britische Militärwaffe war.

Im 2. Weltkrieg kamen auf beiden Seiten der Front auch Beutewaffen zum Einsatz. Die entsprechende deutsche Vorschrift nennt die Colt M1911A1 „Pistole 660(a) – amk Colt 1911“.

Links: Description of the Automatic Pistol, Caliber .45, Model of 1911, with Rules for Management, Memoranda of Trajectory, and Description of Ammunition, Plate II (following page 20). © Wiki Commons/Ordnance Department, U.S. Army (April 1, 1912; revised February 14, 1914; printed 1917). Rechts: Erbeutete Colt Model 1911 wurden auch von der Wehrmacht eingesetzt. Aus "Kennblätter fremden Geräts", Heft 1: Handwaffen, herausgegeben vom Oberkommando des Heeres/Heereswaffenamt, 1941.

In der frühen Nachkriegszeit könnte diese Pistole dann in die Dienste der neu formierten Deutschen Polizei gelangt sein. Die Militärpolizeien der Besatzungsmächte waren für die Bewaffnung der deutschen Polizeikräfte in den jeweiligen Zonen zuständig und gaben Waffen aus eigenem Bestand ab. Großbritannien war Besatzungsmacht in Nordrhein-Westfalen und rüstete demzufolge die neuen Polizeikräfte dort (wie auch die in Berlin und Niedersachsen bzw. bei der Eisenbahn) u. a. mit Enfield-Gewehren, Smith-and-Wesson-Revolvern und Colt-Pistolen aus. Bereits Anfang der 50er Jahre forderte die britische Besatzungsmacht diese Leihwaffen wieder zurück, da die Polizeien der jungen Bundesrepublik Deutschland sich dann schon wieder selber ausrüsten durften.

 

Die Pistole hat nun aber ein Beschusszeichen, welches erst lange nach der Herstellung dieser Pistole Gültigkeit

erlangte. Es handelt sich also um das Zeichen für einen Neubeschuss, welcher immer erfolgt, wenn bei einer

Instandsetzung der Ersatz wesentlicher Teile nötig wurde.

Leader of the 1st squad, 3rd Platoon, Company C, 1/5 Marines, runs under Viet Cong fire during Operation Tippecanoe, 14-16 March 1967 © Wiki Commons/DEFENSE DEPT PHOTO (MARINE CORPS) A369810

Offizier des US Marine Corps mit Colt Model 1911A1

 

"Chinatown" Colonia Dublan, Mex.

© Wiki Commons/George Grantham Bain Collection (Library of Congress).

 

Kavalleristen des US-amerikanischen Expeditionscorps, bewaffnet mit dem Vorgängermodell, der U.S. Pistol, Caliber .45 Model of 1911.

Die Mexikanische Expedition (engl.: Mexican Expedition), auch als „Strafexpedition“ oder Pancho-Villa-Expedition bezeichnet, war eine zwischen 14. März 1916 und 7. Februar 1917 durchgeführte militärische Operation des US-Heeres im nordmexikanischen Bundesstaat Chihuahua.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mexikanische_Expedition

Die Kausalkette „britisches Militäreigentum“ – „Ausgabe u.a. von Colt-Pistolen an die Polizei NRW in den späten 1940er Jahren“ - „Rückforderung der Pistolen Anfang der 1950er Jahre“ und „Neubeschuss nach 1954 nach Instandsetzung und Phosphatierung“ darf daher zumindest als dringender Hinweis auf die Verwendung dieser Pistole bei der Polizei unseres Bundeslandes gelten.

Nordrhein-Westfalen wurde zunächst 1946 aus der vormaligen preußischen Provinz Westfalen und dem Nordteil der ehemaligen Rheinprovinz geformt und 1947 noch um das Land Lippe erweitert, welches unter dem sanften Druck der britischen Militärregierung seine jahrhundertelange Selbstständigkeit aufgeben musste und sich darum für den Beitritt zum Land Nordrhein-Westfalen statt zum neu gegründeten Land Niedersachsen entschied.