Links: Gemälde von Max Koner aus dem Jahr 1892, das Kaiser Wilhelm II. in Jagduniform zeigt (Wiki Commons). Mitte: Die kaiserliche Pistole, eine Schwarzlose Modell 1909 mit Monogramm. Rechts: Wilhem II mit umgeschnalltem Holster der Schwarzlose Modell 1909 (Bilder: Links , Mitte und rechts: http://unblinkingeye.com/Guns/EWSLZ/ewslz.html)

Kaiserliche Waffen

Beitrag von Gregor Wensing, Pulheim

Mit Wilhelm II. (27. Januar 1859 - 4. Juni 1941) bestieg der letzte Deutsche Kaiser aus dem Haus Hohenzollern den Thron. Er verstarb 82jährig im niederländischen Exil.
Als er 1888 Kaiser wurde, war er gerade einmal 29 Jahre alt. Bei seiner Geburt gab es Komplikationen, denn er kam als Steißgeburt zur Welt und überlebte nur durch das couragierte Eingreifen einer leider namentlich nicht mehr bekannten Hebamme und von Professor Eduard Arnold Martin der Charité.
Die Geburt war über Stunden verschleppt worden, da ein Kaiserschnitt damals noch mit einer hohen Letalität verbunden war und man wohl gehofft hatte, dass der Geburtsvorgang doch noch irgendwie von statten ging. Professor Martin gelang es noch, den Fötus innerhalb der Gebärmutter so zu drehen, dass dieser mit den Beinen voran geboren wurde. Leider kam es dabei zu einer Verletzung des linksseitigen Armplexus – eines Nervengeflechtes in Schulterbereich, durch den die Muskulatur der Arme versorgt wird. Der linke Arm blieb daher in seinem Wachstum zurück; er war bald deutlich kürzer als der rechte und auch nur eingeschränkt beweglich.
Das Kaiserpaar versuchte alles, die Behinderung des Thronfolgers zu beheben, was letztendlich dazu führte, dass Wilhelm nach eigener Aussage „eine recht unglückliche Kindheit“ hatte, während der mit z.T. qualvollen Maßnahmen versucht wurde, das Wachstum seines linken Armes zu forcieren.
Im Erwachsenenalter wurde dann z.B. auf Fotografien versucht, den Längenunterschied der Arme dadurch unkenntlich zu machen, indem er den linken Arm auf einem Säbelkorb abstützte oder ganz im Ärmel versteckte.

Seine dreißigjährige Regentschaft Wilhelms II. wird als die „Wilhelminische Epoche“ bezeichnet, in der er danach strebte, dem Deutschen Reich einen Platz unter den Weltmächten als ernst zu nehmende politische Größe zu sichern. Er sah seine Bestimmung darin, „allzeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung“ interessiert, so, wie es bereits sein Großvater Wilhelm I. formuliert hatte. In dieser Hinsicht lag ihm auch viel daran, die Kolonialpolitik in Afrika und in der Südsee voranzutreiben.
Allerdings führte seine Neigung zu militärischem Prunk - ausweislich zahlreicher Paraden zu jedem irgendwie geeigneten Anlass - auch zu einer Überbetonung des Militärs und seiner hierarchischen Strukturen, welche bis hinein ins zivile Leben der deutschen Gesellschaft reichte. Ohne Ableistung des Militärdienstes war eine berufliche Laufbahn zumindest innerhalb des Verwaltungsapparates quasi undenkbar. Ein militärischer Rang dagegen – und sei es nur der eines Reserveoffiziers – war eine Eintrittskarte in die „bessere Gesellschaft“.
Unter Wilhelms Regentschaft kam es zu einem bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung, der mit einem bedeutenden Fortschritt auf technologischer, naturwissenschaftlicher und industrieller Ebene verbunden war.
Er setzte sich für ein Verbot der Sonntagsarbeit generell, einer Einschränkung der Arbeit von Kindern unter vierzehn Jahren sowie der Nachtarbeit für Frauen und Kinder ein und untersagte die Arbeit in den letzten Monaten der Schwangerschaft. Dieser Einsatz führte dazu, dass man ihm den Titel „Arbeiterkaiser“ zusprach. Ein weiterer Titel war der eines „Friedenskaisers“, nachdem der Neffe von Alfred Nobel – Emanuel Nobel - im Jahre 1912 den Vorschlag machte, Kaiser Wilhelm II den Friedensnobelpreis zuzusprechen, da das Deutsche Reich unter seiner Herrschaft 24 Jahre in Frieden leben konnte. Auch suchte Wilhelm II nach einem Ausgleich zwischen ethnischen und politischen Minderheiten in seinem Reich, wobei er allerdings weniger erfolgreich war.
Durch die unglückliche Bündnispolitik Wilhelms kam es aber dazu, dass Deutschland durch Österreich 1914 in einen Krieg hineingezogen wurde, der rasch außer Kontrolle geriet. Aufgrund großer Verluste an Menschen und Material war ganz Europa nach vier Jahren der bewaffneten Auseinandersetzung kriegsmüde. Durch den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg am 6. April 2017 wurde das Kräfteverhältnis zudem derart verlagert, dass sich eine Niederlage der Achsenmächte abzeichnete.
Nach der gescheiterten Frühjahrsoffensive des Jahres 1918 im Westen verlangte daher die Oberste Heeresleitung am 28. September 1918 vom Kaiser, ein Waffenstillstandsgesuch an die Kriegsgegner zu richten. Damit war das Ende des Kaiserreiches und der Herrschaft von Wilhelm II eingeleitet, denn der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson machte seine Einwilligung hierzu von der Abdankung Wilhelm II als Kaiser abhängig.
Die „Fortschrittliche Volkspartei“ legte daher am 16. Oktober 1918 Wilhelm II die freiwillige Abdankung nahe. Sein Reichskanzler Prinz Max von Baden betrieb diese folgerichtig seit dem 28. Oktober 1918. Nachdem Wilhelm II am Tag darauf nach Spa in Belgien gereist war, verkündete Max von Baden am 9. November 1918 dessen Abdankung und die seines Sohnes Kronprinz Wilhelm von Preußen sowie auch aller anderen Bundesfürsten. Die zunächst inoffizielle Nachricht von der Abdankung des Kaisers führte noch am gleichen Tag in Berlin zur Ausrufung der Republik. Allerdings dankte Wilhelm II erst 19 Tage später am 28. November 1918 offiziell ab. Er hegte die Hoffnung, dass dadurch die Situation im Reich zu stabilisieren sei, gab jedoch nie den Traum auf, wieder auf den Thron zurückkehren zu können.

Wilhelms persönliche Schusswaffen
Es sind zwei Faustfeuerwaffen bekannt, die dem persönlichen Besitz von Kaiser Wilhelm II zuzurechnen sind, ein Revolver französischer und eine Selbstladepistole deutscher Herkunft.
Im Deutschen Historischen Museum in Berlin liegt ein „Revolver réglementaire modèle 1874 Chamelot-Delvigne“. Auf seinen Griffschalen findet man ein großes „V“ unter einer Krone (Abbildung 2) – Hinweis darauf, dass Wilhelm diesen Revolver von seiner Großmutter, Königin Victoria von England, zum Geschenk erhalten hatte. Wie es heißt, habe er diesen Revolver während des I. Weltkrieges zu seiner Felduniform getragen.
Warum Wilhelm II einen französischen Revolver den beiden deutschen „Reichsrevolvern“ Modell 1879 und 1883 vorzog, ist nicht überliefert. Ob er – gleichwohl die „Reichsrevolver“ von der Preußischen Gewehr-Prüfungskommission in Spandau entwickelt und von namhaften deutschen Herstellern wie Mauser, Dreyse oder Schilling gefertigt wurden – die technische Überlegenheit des französischen Modells gegenüber den deutschen Ordonnanzrevolvern schätzte oder nur seiner Großmutter eine Freude machen wollte, ist Basis für Spekulationen.
Dieser Revolver war in Frankreich unmittelbar nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 entwickelt worden. Man hatte im Nachbarland erkannt, dass die Ausrüstung, wie sie bei diesem Waffengang benutzt wurde, keine militärische Zukunft hatte und daher dringend modernisiert werden musste. Und dies taten die Franzosen mit „preußischer Gründlichkeit“, während man im Deutschen Reich für diese Erkenntnis viel länger benötigte, um dann mit dem M/79 ein Revolvermodell zu entwickeln, welches nicht an den technischen Stand des französischen Revolvers heranreichte. Wurden von seinem Vorläufermodell M1873 noch rund 337.000 Exemplare für die Mannschaften hergestellt, gingen vom M1874 lediglich ca. 35.000 Stück an Offiziere. Die Firma Manufacture d‘armes de Saint-Étienne stellte aber auch eine nicht bekannte Anzahl an Revolvern für den Zivilmarkt her.
Aufgrund einer Sammlungsauflösung stand im Jahre 2014 plötzlich eine interessante Selbstladepistole der Firma Schwarzlose zum Verkauf an. Auf ihrer linken Griffschale findet man ein Emblem bestehend aus miteinander verschlungenen „W“ und „II“ – dem Monogramm des letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II.

Frühe Selbstladepistolen sind auf dem Sammlermarkt begehrt – und solche mit einer individuellen Geschichte noch mehr. Und wenn sie dann noch einen Bezug zum Hochadel haben, explodieren die Preise. Leider war der Sammler verstorben, ohne seinen Nachkommen irgendeine Dokumentation zu hinterlassen. Seine Familie hatte sein Hobby zwar akzeptiert, jedoch keineswegs geteilt; so wussten seine Erben nichts von der Geschichte seiner Sammlerstücke. Der Verdacht, hier einer Fälschung aufzusitzen, bot sich also an.
Es gibt aber zum Glück Fotos von Kaiser Wilhelm II aus den Jahren 1910 – 1912, die ihn bei der Jagd zeigen – mit einem Holster der Schwarzlose-Pistole Modell 1909. (Abbildung 4 und 5). Es ist also anhand der Pistolentasche belegt, dass Kaiser Wilhelm II auf der Jagd eine solche Pistole mit sich führte. Als weiteren Glücksfall fand sich im Nachlass des besagten Sammlers auch ein Holster, welches dem auf den Fotos entspricht und in dem sich die Konturen einer Schwarzlose-Pistole Modell 1909 eingeprägt hatten. Damit ist ein Teil der kausalen Argumentation beendet, dass es sich bei der aufgefundenen besonderen Pistole tatsächlich um eine Kaiserwaffe handeln kann.

Der nächste Schritt bestand darin, das Griffschalenemblem zu identifizieren: Hier konnte man auf andere Fotos zurückgreifen, die ähnliche Embleme an anderen Gegenständen zeigen, welche Wilhelm II zugesprochen werden können.
Dieses Exemplar trägt die „1“ auf nahezu allen Teilen, wobei diese Seriennummer wohl später und damit individuell auf den Kaiser abgestimmt angebracht wurde. Warum Wilhem II eine 7.65er Taschenpistole auf der Jagd mit sich trug, ist Basis von Diskussionen. Das kleine Kaliber ist zur Abgabe eines Fangschusses wenig geeignet, zudem dürften in der den Kaiser begleitenden Jagdgesellschaft genügend Personen gewesen sein, die eine besser geeignete Faustfeuerwaffe führten. Es wird daher spekuliert, dass er diese Pistole bevorzugte, weil er diese aufgrund seiner Behinderung besser bedienen konnte.

Der Konstrukteur dieser ungewöhnlichen Selbstladepistole, Andreas Wilhelm Schwarzlose, wurde am 31. Juli 1867 als Sohn eines Landwirts geboren. Obwohl er aus der Gegend um Brandenburg an der Havel stammte, leistete er den Militärdienst in der österreichisch-ungarischen Armee ab. Nach Abschluss eines Studiums an einer Artillerie-Technikerschule machte er noch eine Ausbildung im thüringischen Suhl. Mit 30 Jahren gründete er 1897 in Berlin die A.W. Schwarzlose G.m.b.H. und erhielt noch im selben Jahr 1897 ein Patent auf einen „Kniegelenkverschluß für selbstthätige Feuerwaffen mit festliegendem Lauf“.
Seine zwischen 1908 und 1910 patentierte Taschenpistole Modell 1909 verfügt über einen ungewöhnlichen Repetiervorgang, bei dem sich Verschluss und Lauf beim Schuss nach vorne bewegen! Im Zurückgleiten wird eine neue Patrone aus dem Magazin ins Patronenlager eingeführt und der innenliegende Hahn gespannt. Ihre Fertigung begann wohl bereits spät im Jahre 1908 und sie lief mindestens bis 1910, als die Firma bankrott ging. Ihre Bestände wurden danach zu kleinen Preisen veräußert. Eine stattliche Anzahl der Schwarzlose-Pistolen tragen das Beschusszeichen, welches ab 1912 Gültigkeit bekam – es müssen also einige Tausend Pistolen noch unbeschossen im Werk gewesen sein, als dieses zahlungsunfähig wurde. Andreas Wilhelm Schwarzlose starb am 18. April 1936 in Berlin-Charlottenburg.

Quellen:   
http://unblinkingeye.com/Guns/EWSLZ/ewslz.htm
https://en.wikipedia.org/wiki/Schwarzlose_Model_1908
https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Wilhelm_Schwarzlose
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_II._%28Deutsches_Reich%29RW   
RWM-Depesche 06 (2014), S. 402 ff