von Andre Kruth
Pistole Browning FN High Power (HP) [auch FN Hi-Power, Grande Puissance (GP)]
Bekannt gemacht hat den legendären Konstrukteur John Moses Browning die Selbstladepistole Colt Government Model (Colt M1911), die für ungefähr 80 Jahre die Standardpistole der US Army war. Die belgische FN High Power wird von ihren Bewunderern als Weiterentwicklung der M1911 verstanden. Ihre Vollendung erlebte Browning nicht, da er 1926 verstarb. Auch schon zu seinen Lebzeiten wurde die Entwicklung maßgeblich von seinem Assistenten Dieudonné Saive beeinflusst. 1928 integrierte Saive wesentliche Elemente des 1911 Designs in das der HP, nachdem die Colt Patente für das Modell 1911 erloschen waren. Zu seinem Namen „High Power“ kam das Stück, da es die erste Pistole mit funktionierendem doppelreihigem Magazin war. Die Magazinkapazität der HP war der M1911 mit lediglich 8 Patronen und anderen zeitgenössischen Konkurrenzentwicklungen deutlich überlegen. Beim direkten Vergleich mit der M1911 fällt auf, dass der Lauf kein bewegliches Kettenglied mehr nötig hat. Außerdem ist das Zerlegen leichter geworden, da der Schlitten in der Zerlegeposition arretiert werden kann und eine separate Laufführungsbuchse überflüssig ist.
Die Entwicklungsgeschichte der HP geht zurück auf das Jahr 1921 und eine Anforderungsspezifikation der französischen Armee. Ironischerweise hat die französische Armee nach Fertigstellung die HP nicht übernommen, dafür aber über 50 andere Staaten für deren Polizeien oder Armeen bis in die Neuzeit. Als erster Staat führte Belgien die HP 1935 bei der Armee ein.
Als deutsche Armeen während des zweiten Weltkriegs 1940 Belgien besetzten, lief die Fertigung der HP bei FN Herstal weiter, allerdings für die deutschen Besatzer unter der Bezeichnung Pistole 640 (b) [„b“ für belgisch]. Die zuverlässige Waffe wurde von den Deutschen häufig an die Waffen-SS oder Fallschirmjäger ausgegeben. In Toronto (Kanada) produzierte man bei „John Inglis and Company“ nach vor der Besatzung übermittelten Plänen für die Alliierten. Damit ist die HP die einzige Pistole, die offiziell im 2. Weltkrieg auf beiden Seiten des Konflikts gedient hat. Während der Fertigung unter deutscher Regie durchlief die HP einige Veränderungen. Frühe Modelle zeichnen sich durch eine verstellbare Kimmblattvisierung aus. Außerdem ist eine Nut für einen Anschlagschaft im Rücken des Griffstücks vorhanden. Später vereinfachte man die Produktion durch eine starre Kimme und ein Griffstück ohne Schaftaufnahme. Das Oberflächenfinish wurde zunehmend gröber. Der von den Deutschen verwendete Abnahmestempel änderte von WaA613, zu WaA103 und schließlich zu WaA140 ohne eine Verlagerung der Produktion in ein anderes Werk.
Ich habe die HP aus mehreren Gründen in meiner Sammlung. Es handelt sich um eine für ihre Zeit fortschrittliche Waffe mit Pistolenkaliber, mit aus dem Vollen gefrästem Ganzstahlrahmen und sie stammt aus deutscher Verwendung während des 2. Weltkriegs. Das trifft exakt mein Sammelgebiet. Dieses spezielle Stück hat vielleicht nicht den besten Zustand, aber der Zustand ist authentisch und unverbastelt. Wäre z.B. das Finish erneuert und/oder die Oberfläche mechanisch nachbearbeitet worden, hätte ich keinerlei Interesse an dieser HP.
Maschinenpistole 34 Steyr-Solothurn [S1-100, MP.30, MP.34, MP 34 (ö)]
Seit dem 1. Weltkrieg sah das deutsche Militär den Bedarf für Maschinenpistolen (Stichwort: Erstürmung gegnerischer Schützengräben). Nach dem verlorenen Krieg wurde Deutschland durch den Versailler Vertrag jedoch deren weitere Entwicklung untersagt. Aus diesem Grund gründete/kaufte die Firma Rheinmetall 1929 die Schweizer Waffenfabrik Solothurn auf und setzte dort die geheime Entwicklungsarbeit fort (damalige Typbezeichnung der MP lautete S1-100). Um nach der Entwicklungsarbeit größere Stückzahlen produzieren zu können erwarb Rheinmetall schließlich Mehrheitsanteile an der österreichischen Waffenfabrik Steyr (Steyr Daimler Puch AG) während der Vertrieb über die Steyr-Solothurn Waffen AG, Zürich (Logo SSW) lief.
Die MP34 von Louis Stange lehnt an Vorgänger wie die von Hugo Schmeisser entwickelte und von Theodor Bergmann gefertigte MP18 an. Auf den ersten Blick sticht dem Betrachter das gedrungene Gesamtbild, der perforierte Laufmantel und der schwere Holzschaft ins Auge. Die wahre Schönheit der Konstruktion erschließt sich dem Betrachter erst, wenn er sich Gedanken zu der Art der Fertigung macht. Dann wird offensichtlich warum die MP34 auch als Rolls-Royce unter den Maschinenpistolen bezeichnet wird. Zur Fertigung wurden nur die hochwertigsten Materialien verwendet und die Fertigungsschritte mit größtmöglicher Präzision ausgeführt. Das Gehäuse ist aus einem Stück Stahl gefräst. Der äußere Gehäusequerschnitt ist sechseckig, während der Innenraum zylindrisch ausgearbeitet ist. Der kantige Rumpf geht in einen rotationssymmetrischen Laufmantel über. Man kann nur erahnen wie viele Fertigungsschritte es erfordert, den Metallteilen ihre Form zu verleihen. Begleitet werden die spanabhebenden Fertigungsschritte von Temperaturschritten wie sie für die Härtung notwendig sind. Dabei muss das Gehäuse jedes Mal nachgearbeitet werden, wenn es sich verzieht. Selbst heutzutage würde eine solch aufwändige Produktion viele manuelle Handgriffe erfordern. Gestandene Büchsenmacher beschreiben die Waffe als ein Stück Handwerkskunst und setzen den fertigungstechnischen Charakter eher dem einer Jagdwaffe als einer Militärwaffe gleich. Sie bewundern die Präzision, mit der die Fertigungsschritte bereits um 1930 herum ausgeführt wurden.
Was als höchste Metallverarbeitungskunst Bewunderung auslöst, ist gleichzeitig der Grund warum das Modell militärisch-historisch trotz seiner Zuverlässigkeit im Schatten anderer MPs steht. Die Produktionskosten waren schlichtweg zu hoch. Mit dem Aufkommen der Blechprägetechnik in der industriellen Massenproduktion von Handfeuerwaffen stellte die Steyr-Daimler-Puch AG in Österreich (militärischer Herstellercode „660“, Waffenamtsabnahmestempel „WaA623“) die Produktion zu Gunsten der schneller und einfacher zu fertigenden MP40 ein. Für die deutsche Luftwaffe wurden 1939/1940 grob geschätzt 10.000 Exemplare der MP34 (teilweise mit Produktionsvereinfachungen) gefertigt. 1941/1942 wurde noch einmal ein größeres Kontingent für Portugal hergestellt oder Restbestände veräußert [Steyr-Daimler-Puch AG, Warschau (Polen) mit Abnahmestempel WaA189; 4-stellige Seriennummern sind durch Realstücke belegt]. Es ist anzunehmen, dass nicht alle gefertigten Stücke wirklich an Portugal ausgeliefert worden sind, da das dritte Reich an chronischem Waffenmangel für seine Verbände litt. Insgesamt wird die Stückzahl an MP34 auf 20.000-30.000 Exemplare geschätzt. Eine genaue Angabe ist schwierig, da Steyr anscheinend entweder für jeden Auftrag oder bei den verschiedenen Kalibern die Seriennummern von Neuem vergeben hat, anstatt durchgehend zu nummerieren.
Die Waffe wurde in diversen Kalibern für den asiatischen, europäischen und den südamerikanischen Markt ausgeliefert. Nach dem Anschluss Österreichs an das großdeutsche Reich wurden die Bestände der österreichischen Polizei (MP.30, Kaliber 9 mm Steyr) und Armee (MP.34, Kaliber 9 mm Mauser) als MP 34(ö) [„ö“ für österreichisch] bei der Wehrmacht geführt und teilweise auf das Standardkaliber 9 Para umgerüstet. Aufgrund der begrenzten Stückzahl fristete die MP ein Nischendasein und wurde eher bei Sondereinheiten wie der Waffen-SS oder Polizeiverbänden im Fronteinsatz ausgegeben.
Die MP34 ist ein Rückstoßlader mit Masseverschluss. Je nach Stärke des verwendeten Kalibers wurden Verschlusskörper mit zwei unterschiedlichen Längen verwendet. Das Gewicht des Verschlusses bestimmt die Kadenz (= Feuergeschwindigkeit) der Waffe. Als Zubehör zur Waffe erhielt jeder Träger zwei Magazintaschen mit jeweils drei Magazinen und eine Werkzeug- und Reinigungstasche. Wenn am Laufmantel eine Bajonettwarze angebracht ist, vervollständigt ein Bajonett von „Simson und Co“, Suhl, die Ausstattung. Ein extrem seltenes Accessoire ist ein abnehmbares Dreibein zur Stabilisierung der Waffe beim Feuern. Dieses hat es nicht bis in die Serienproduktion geschafft.
Als Besonderheit wird häufig auf die patentierte am Magazinschacht angebrachte Ladevorrichtung der MP verwiesen (Patente wurden für die Schweiz, Österreich und das Deutsche Reich in den Jahren 1933/1934 erteilt). Diese ermöglicht das vertikale Einführen leerer Magazine von unten und das Befüllen der Magazine mit Hilfe von Ladestreifen von oben. Für die Verwendung bei der Wehrmacht, die ihre 9-mm-Para Munition nicht auf Ladestreifen ausgegeben hat, war dieses Detail überflüssig. Besonders frühe Stücke weisen diese Ladevorrichtung nicht auf.
Eine konstruktive Schwäche aus heutiger Sicht ist die Verlagerung der Rückholfeder in den Holzschaft. Damit verbietet sich eine kompaktere Version mit einklappbarer Schulterstütze.
Beide hier abgebildeten Stücke sind dauerhaft unbrauchbar gemacht.